Teil 8
Wie bitte?! Was soll das jetzt?
Nein, es heißt nicht „Gildin, jetzt reiß dich aber zusammen!“.
Es ist der Satz, den ich in den letzten Wochen ganz oft in mehr oder weniger freundlichem Tonfall zu mir selber gesagt habe. Je nachdem, wie viel Verständnis und Geduld ich gerade mit dem Teil von mir habe, der für das ganze Wissen, was, wie und warum ich jetzt das tue, was ich tue, ziemlich unempfänglich ist.
Ich hab euch einen ganz offenen, ehrlichen Einblick in unseren Weg, Gildins und meinem, versprochen – den bekommt ihr auch. Auch wenn es zugegebener Maßen etwas leichter fällt, über Trainingsschritte, dos and don‘ts und Erfolge zu schreiben als über das, was eben nicht beim Hund, sondern bei mir selbst auf diesem Weg stattfindet.
Es gibt genügend Momente, in denen das „Trainerinnenhirn“ und das vergleichsweise weitgehend vernunftbefreite „Hundemamahirn“ sich gar nicht grün sind.
Vielleicht kann ich deshalb oft viel Verständnis für Themen anderer Hundehalter aufbringen, auch wenn das Wissen schon von innen an die Scheibe hämmert und gemutet brüllt „Neiiiiin, so niiiicht!“
Der Grund, warum ich aber immer dem vernünftigen Teil, der die Fragen nach „Warum?“ und „Wo führt es hin?“ beantworten kann, den Vorzug gebe, ist simpel und eine Erkenntnis, die jedem von uns im Leben schon unterkam:
Wenn ich einem spontanen Impuls nachgebe, mag ich ganz kurzfristig ein Erfolgserlebnis oder auch einfach einen Moment der Zufriedenheit haben. Es lohnt sich aber, die langfristigen Zusammenhänge zu betrachten – weil man dabei ganz oft feststellt, dass die Handlung langfristig milde ausgedrückt kontraproduktiv wäre.
Deshalb – reiß dich zusammen.
Lass uns langsam denken.
Langsam denken hat nichts mit Beschränktheit zu tun. Es ist im Gegenteil eine unglaublich wertvolle Fertigkeit. Schnelles Denken nimmt die Abkürzung über unser „Emotionszentrum“, und lässt damit bewusste Überlegungen zu einer Handlung, mit denen wir auf Gelerntes zurückgreifen und eine Situation und unsere Handlungsmöglichkeiten differenziert beurteilen können, einfach aus.
Gildin ist ja manchmal noch nicht der Geschicktesten Einer. Und so trug sich‘s unlängst zu, dass er ein ziemlich unelegantes Hoppala von der Bettkante hingelegt hat.
Ich seh den purzelnden kleinen alten Hund, ein hochgezogenes Pfötchen, einen ziemlich erbärmlichen Gesichtsausdruck und muss meinen ersten Impuls – hin eilen, kleinen alten Hund an mich nehmen und Pfoterl und diverse andere potenziell beschädigte Hundeteile unter tröstenden Worten und Mitleidsbekundungen untersuchen – nieder ringen.
Weil mir das Wissenshirn zum Glück sagt „Reiß dich zusammen! Einen Hund, der Berührung und direkte Ansprache nicht aushält, derart zwangsweise zu beglücken, ist wirklich nicht die Idee des Tages!“
Einfach, weil wir da noch nicht sind und ich mit dieser einen impulsiven Handlung Wochen an Entwicklung ruinieren würde. Weil nichts macht einen auf diesem Weg leichter stolpern, als impulsgesteuerte Überholmanöver.
Ein Hund, der die Zuwendung seines Menschen zutiefst positiv empfindet, der seinen Menschen als zuverlässige Bezugsperson wahrnimmt, an die er sich wenden kann, wenn etwas schief geht – der profitiert enorm von Fürsorge und Anteilnahme in so einer Situation und wird sich gerne helfen lassen.
Um das für Gildin zu werden, muss ich mich auf jedem Schrittchen unseres Weges als kommunikationsbereit, vorhersagbar, wertschätzend, seine Grenzen wahrend und zuverlässig erweisen.
Und deshalb eben langsam denken.
Daher hab ich mich nach dem Hoppala auf einige Beobachtungen auf Distanz beschränkt, die ebenfalls ausreichten, um beruhigt fest zu stellen, dass am kleinen alten Hund kein Schaden entstanden war.
Mir begegnen solche Situationen oft – keiner hat je behauptet, dass es einfach sein würde.
Aber diese Selbstkontrolle, dieses dem langsamen Denken und guten Entscheidungen den Vorzug zu geben, wird durch die langfristige Entwicklung reich belohnt.
Und wie sollte ich einen Hund, der mit einem Rucksack voller Ängste ankam und bisher Auslöser in seiner Umwelt fast ausschließlich umweglos als bedrohlich einstufte und entsprechend reagierte, lehren, selbst langsam zu denken, wenn ich es nicht einmal selbst hinbekomme.
Bei Gildin fördere ich diese Art zu denken – wahrnehmen, verarbeiten, beurteilen, bewusst handeln, Handlungen auf ihre Ergebnisse überprüfen – zum Beispiel durch kleine Hindernisstrecken, die er selbstbestimmt überwinden kann.
Da wir von einem Target folgen oder Zeigen mit der Hand oder Locken noch weit weg sind, und es mir generell lieber ist, Hund denkt selber, folgt Gildin dabei einfach einer Spur kleiner Leckerlis. Er bestimmt, ob er die Übung überhaupt startet, in welchem Tempo er vorgeht, ob er bis zum Jackpot am Schluss geht oder vorher abbricht.
Dies war seine allererste Hindernisstrecke:
Nebeneffekt dieser selbstbestimmten Denk- und Körperarbeit ist unter Anderem, dass er jetzt schon hinter der Tür wartet, wenn ich beginne, auf der Terrasse her zu richten:
Was nun all das für unsere Kommunikation bedeutet, welche Entwicklung diese bisher genommen hat, welche Stolpersteine sich aufgetan haben – das folgt in den nächsten Silberfunken!
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